27. November 2022

Das Woodstock Pärchen

====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <====

1969 fand das berühmte Woodstock Festival statt, ein Höhe- und irgendwie auch der Endpunkt der Hippiebewegung der 60er Jahre. 1970 kommt das dazugehörige Album auf den Markt. Auf dem Cover ein Foto des Life und Magnum Fotografen Burk Uzzle, das zu einer Bildikone werden sollte und das Paar seither begleitet.

Music credit: Where the Moon Shines Bright by Kara Square (c) copyright 2020 Licensed under a Creative Commons Attribution (3.0) license. http://dig.ccmixter.org/files/mindmapthat/62227 Ft: Mr_Yesterday, Stefan Kartenberg


Transkript

Die 60er Jahre waren in den USA eine turbulente Zeit.
Es ist die Zeit des Vietnamkriegs.
Es ist die Zeit der politischen Morde an Martin Luther King, John F. Kennedy oder Malcolm X.
Und es ist die Zeit der Hippie-Bewegung.
1967 gipfelt die in San Francisco im sogenannten „Summer of Love“.
Und 1969 auf der anderen Seite des Kontinents, im Bundesstaat New York,
im berühmtesten Musikfestival aller Zeiten, Woodstock.
(Musik)
(Kamera Klick)
(Musik)
Foto Menschen.
(Musik)
(Kamera Klick)
(Musik)
Die Hippie-Bewegung nahm ihren Anfang in San Francisco und in der Bay Area.
Es war eine Jugendbewegung.
Mitglieder der Hippie-Bewegung lehnten Konsum ab,
lehnten das Mittelstandsgebaren, das sie in ihrer Umgebung sahen, ab.
Sie wollten keine Gewalt mehr unterstützen.
Sie wollten mit Designer-Drogen experimentieren, dabei Musik hören
und im Einklang mit Umwelt und Nachbarn leben.
Aus heutiges Sicht würde ich ja fast sagen, die waren ihrer Zeit ganz schön voraus.
Den Anfang nimmt diese Bewegung jedenfalls in den 60er Jahren.
Und auch wenn man die Bartek-Klamotten, die Drogen, die freie Liebe und den Musikgeschmack belächelt,
ist nicht wegzuleugnen, dass die Hippie-Bewegung den Anfang der Friedensbewegung in den USA markiert,
die sexuelle Revolution voranbringt,
Umweltschutz, Antirassismus und andere Themen auf die Agenda hebt und bis heute nachwirkt.
Und wie immer, wenn eine Bewegung auftaucht, die erfolgreich ist,
wird sie sehr schnell auch kommerziell.
Modelabel entdecken den Klamottenstil, Plattenlabels entdecken den Musikstil,
Veranstalter entdecken die Zielgruppe.
Wenn das Summer of Love 1967 in San Francisco als der Höhepunkt der Bewegung gilt,
dann ist unzweifelhaft das Woodstock Festival 1969 eine Art Endpunkt und Kommerzialisierungshöhepunkt.
[Musik]
Man hatte vor, ein Hippie-Festival zu veranstalten im Bundesstaat New York.
Veranstaltungsort sollte ursprünglich die kleine Ortschaft Woodstock werden.
Man entschied sich aber um und das Festival fand dann tatsächlich in einem 70 Kilometer entfernten Ort statt,
auf einer hügeligen Wiesnlandschaft in der Nähe des New Yorker Orts Bethel.
Oder Bietel?
Als Zeitpunkt wurde der 15. bis 17. August festgelegt und es sollten 32 Bands auftreten,
darunter auch einige, die inzwischen schon einen Namen von Weltrang hatten.
Das Publikum wurde auf so circa 150.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer geschätzt.
Und für 150.000 war man wohl auch vorbereitet.
Nicht hingegen für die 400.000, die dann tatsächlich zum Festival anreisten.
[Unverständliches Gespräch]
Das Festival hatte noch gar nicht angefangen, da waren in der Umgebung des Veranstaltungsorts sämtliche Straßen verstopft.
Den Hippies war es einerlei, die fuhren, soweit sie nur vorwärts fahren konnten
und wenn der Weg dann von einer Blechlawine verstopft war, ließen sie ihr Auto einfach stehen und gingen den Rest zu Fuß.
Es herrschte also schon Chaos, bevor überhaupt das erste Musikstück gespielt wurde.
Die Medien riefen dazu auf, nicht mit dem Auto anzureisen, am besten überhaupt gar nicht anzureisen.
Speziell wenn man jung ist und feiern möchte, gäbe es doch auch so viele Alternativen.
Das Festival war rundheraus überfordert. Es gab nicht genug Wasser, es gab nicht genug Essen.
Ob überhaupt der Platz reichen würde, war ebenso unklar.
Und definitiv gab es nicht genügend sanitäre Anlagen oder An- und Abfahrtsstraßen.
Der Student Nick Erkelein hört all das im Radio und denkt sich, im Grunde verpasse ich hier gerade was.
Es scheint ein Ereignis zu sein, das es so nur einmal geben wird.
Ihm gegenüber sitzt seine Freundin Bobbi Kelly. Zehn Wochen sind die beiden zu dem Zeitpunkt zusammen.
Er schaut sie an und sagt, wollen wir da eigentlich auch hin?
Die Musik ist cool und anscheinend gibt es da was zu verpassen.
Die beiden sind selbst eigentlich keine Hippies oder in der Counterculture.
Aber gute Musik und junge Leute um sich rum, freie Liebe und Drogen, in einer Gegend, in der sonst jetzt auch nicht so viel los ist.
Gesagt, getan, ein paar Freunde werden zusammen getrommelt und es wird sich auf den Weg gemacht.
Musik
Musik
Nicht lange, und sie kamen am Ende der Autoschlange an und stellten wie die anderen Hippies ihr Fahrzeug einfach am Straßenrand ab.
Und machten sich auf den Weg. Unterwegs sammelten sie eine Decke auf, die einfach da so rum lag, um eine Unterlage zu haben am Festival.
Dort angekommen waren die Eindrücke dann überwältigend.
Von dem Ort aus, an dem sie saßen, konnte man Dampfschwaden oder Rauchschwaden aufsteigen sehen.
Musik
Es war heiß und es war nass. Die Menschen waren also schwitzend und feucht.
Und deswegen konnte man auch nicht so genau sagen, war das Rauch von Haschisch oder Lagerfeuern oder einfach nur verdampfender Schweiß oder allgemeine Feuchtigkeit.
Und es war verfüllt mit tollen Geräuschen, außer nur der Künstler.
Und Geräusche.
Und Geräusche natürlich.
Jeden Geruch, den man sich erinnern kann. Wir waren alle zusammen. Wenn ihr etwas trinken wollt, dann würden sie es euch übergeben.
Wenn ihr etwas essen wollt, wenn sie es hatten, dann würden sie es euch übergeben.
Die Orte waren so eng aufeinander, dass daran nicht zu denken war, einfach irgendwo hinzugehen, um sich etwas zu besorgen.
Wenn man etwas trinken oder essen wollte, dann wurde es einem durchgereicht.
Zumindest, wenn es noch etwas gab.
Allerdings war Essen schon am ersten Tag aus.
Die Woodstock-Organisation war tatsächlich nicht darauf vorbereitet gewesen, 400.000 Menschen versorgen zu müssen.
Hinter den Kulissen wurde wild vor sich hin improvisiert.
Währenddessen wurde das Festival zu einem Medienereignis.
Nachrichtenredaktionen erwarteten das Schlimmste an diesem Festival.
Randalierende Jugendliche, Sex, Drug, Rock’n’Roll.
Deswegen schickten alle ihre Reporter, um an dem Festival teilzunehmen.
Viele auch mit entsprechenden Anweisungen, was sie aufzunehmen hatten.
Wenn sie denn schon keine randalierenden Jugendlichen finden würden, dann sollten sie doch wenigstens Fotos von den Musikern aufnehmen.
Manche Reporter wurden von ihren Redaktionen mit Helikoptern eingeflogen.
Andere mussten sich auf denselben Weg machen, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Einer der anwesenden Fotografen war der damals schon 31-jährige Burke Assel.
Er war eigentlich angestellt beim Life Magazine und war Magnum-Fotograf.
Später würde er eine Weile lang Vice-President von Magnum sein.
Aber am Woodstock-Festival nahm er völlig privat teil.
Er hatte einen Auftrag abgelehnt, denn er hasste es, im Auftrag irgendwo fotografieren zu sein.
Viel lieber fotografierte er auf eigene Faust und verkaufte anschließend seine Bilder.
Für Woodstock hatte er sich in der Nähe einen Zeltplatz gesucht.
Also in der Nähe des Festivals, aber weit genug weg, dass er nicht mittendrin übernachten muss.
Trotzdem ließ er sich nicht nehmen, auf dem Festival herumzustromern und mit seinen zwei Leicas fotografieren zu gehen.
In einem Interview beschreibt er später, dass seine Kollegen alle vorne an der Bühne rumhängen mussten,
denn dorthin hatte man sie hinbeordert, um wenigstens Fotos von den Künstlern zu machen.
Er hingegen lief zwischen den Menschen herum und war fasziniert.
Das Festival war zwar ganz eindeutig völlig überlastet, aber trotzdem blieb alles friedlich.
Die Bedingungen waren zum Teil furchtbar.
Die Wiesen versanken im Matsch, es hatte einen Regensturm gegeben.
Und trotzdem waren die Teilnehmer anscheinend glücklich und zufrieden.
Wenn man einmal den Blick über die Menschenmenge streifen ließ,
sah man Menschen beim Musizieren genauso wie beim Liebemachen.
Hitzig diskutierende Leute genauso wie fasziniert dem Geschehen auf der Bühne Zuhörenden.
Am Sonntagmorgen war Berg sehr früh auf den Beinen, um Fotos zu machen.
Die Dämmerung kroch gerade über den Hügel.
Trotzdem gab es schon Musik zu hören.
Jefferson Airplane spielte. „Bringing up the dawn“ sangen sie.
Auf dem Hügel lagen die meisten, viele noch schlafend.
Und als er sich so umsieht, stehen direkt vor ihm Nick und seine Freundin Bobby auf.
Sie küssen sich, Nick hat die Decke, die sie aufgesammelt hatten, um die Schultern gelegt.
Er nimmt seine Freundin in den Arm und sie lehnt sich in seine Arme.
Es ist dieser Moment, den Berg mehrmals aufnimmt. Ein paar Mal schwarz-weiß und ein, zwei Mal auch in Farbe.
Nick und Bobby bekommen davon überhaupt gar nichts mit.
Ein Freund von ihnen hatte einen Stab dabei, an dem ein Plastikschmetterling war. Der ist mit im Bild.
Ein anderer Freund von ihnen, der gerade aus Vietnam zurückgekehrt war, liegt hinter ihnen und schläft noch.
Musik
Am nächsten Morgen machen sich Nick, Bobby, Burke und alle anderen auf dem Weg wieder nach Hause.
Woodstock ist vorbei. Es war klar, dass es alle Grenzen gesprengt hatte.
Aber es war noch nicht klar, was für ein nachhaltender Einfluss von diesem Festival ausgehen sollte.
Was am Weißen See passiert ist, dass Hunderttausende Kinder eine rurale Resort-Area besiegt haben,
die sie völlig unvorbereitet zu befassen.
Zwischen Adelten, die ihre jungen Lebensstile resenzen und verneinen.
Und dass irgendwie, durch die Natur der alten Fashion, der Kindheit und der Liebe,
beide Gruppen in Harmonie und gutem Humor zusammengekommen sind.
Ja, man war überrascht davon, dass nicht mehr passiert ist.
Nick und Bobby waren wieder daheim. Und Woodstock ist schnell eine Erinnerung.
Als 1970 dann das dazugehörige Album, der Soundtrack, herauskommt,
kaufen Freunde von ihnen das Album und laden sie ein, sich das gemeinsam anzuhören.
Der Hallo ist groß, denn das Coverfoto zeigt nichts anderes als den Moment,
in dem das Pärchen aufgestanden war und sich umarmt hatte.
Sie erkennen das sofort an der Decke, an dem Schmetterling und an dem Freund, der hinter ihnen liegt.
Was ihnen nicht klar ist, ist, dass dieses Bild ab jetzt ikonisch für Woodstock stehen soll.
Es ist das Woodstock Couple.
Sie bekommen auch nichts davon mit, dass über die nächsten Jahre alle möglichen Pärchen behaupten werden,
dass sie es sind, die auf diesem Bild dargestellt werden.
Sie freuen sich einfach, dass sie auf diesem Cover zu sehen sind,
besorgen sich einen größeren Abzug dieses Fotos, rahmen sich das Bild und hängen es sich in die Wohnung.
Die haben sie nämlich bald, die gemeinsame Wohnung.
Aus der, während Woodstock gerade mal zehn Wochen alten Beziehung, wird nämlich nach zwei Jahren eine Ehe.
Und als 20 Jahre später das Live-Magazin das Pärchen anlässlich des 20-jährigen Jubiläums von Woodstock aufspürt,
haben sie zwei Kinder und sind nach wie vor glücklich verheiratet.
Das ist auch der Moment, in dem sie und auch der Fotograf Burke Ussel erzählen,
wie sie sich jeweils an den Moment des Bildes erinnern oder auch nicht erinnern.
Burke Ussel hat sein ganzes Leben lang fotografiert.
Wie gesagt, er wird Präsident von Magnum Fotos werden.
Aber er sagt, keines seiner Fotos wird so oft nachgefragt wie dieses einigermaßen unscheinbare Foto eines Pärchens auf diesem Festival.
Und für Nick und Bobby bleibt es natürlich ein ganz besonderer Moment.
Ein Moment, der auch 50 Jahre später für das Ehepaar nichts von seiner Magie eingebüßt hat.
[Musik]
[Musik]
[Musik]
[Musik]
[Musik]
[Musik]
[Musik]
Foto Menschen
Themenpart in der heutigen Folge ist Meo, Ada, Mesopotheim.
Danke für den Hinweis auf dieses Liebespaar, das zum ikonischen Woodstock-Couple wurde
und nach über 50 Jahren immer noch glaubwürdig in die Kamera sagen kann, dass sie so verliebt wie am ersten Tag sind.
Wer das Bild jetzt gerne sehen möchte oder mehr über Woodstock, die Hippie-Bewegung oder speziell über Nick und Bobby erfahren möchte,
wird in den Notizen zur Sendung oder auf Kopfstimme.net fündig.
Was man da auch finden kann, ist übrigens der Link zu meinem Buch.
Ja, ich habe ein Buch zum Podcast geschrieben.
„30x Fotogeschichten“ – ein Lesebuch für Fotograf*innen mit oder ohne Kamera.
Ansonsten freue ich mich über Rückmeldungen zu dieser Episode oder zu irgendeiner anderen oder zu Themenwünschen.
Man kann mich ganz gut erreichen, entweder auf der Webseite, einfach die Kommentarfunktion benutzen,
indem man mich zum Beispiel auf Masterdome besucht. Den Link findet ihr auch hier auf fotomenschen.net, wie immer.
Und jetzt lieben Dank fürs Zuhören, passt auf euch auf und bis bald.

3 Responses

  1. stef! sagt:

    danke dirk. all die dokus zum jubiläum hatten nicht geschafft, was du geschafft hast: ich habe das woodstock mysterium endlich verstanden. spannend wie du diese geschichte erzählst.

  2. stef! sagt:

    da beim Buch „30xfotogeschichte(n)“ keine kommentare möglich sind, mach ichs hier. toll, dass ich es jetzt in den händen halte. kann mich an alle fotos ausm podcast erinnern, aber nicht an den inhalt. daher freue ich mich nun an langen, kalten winterabenden darauf, darin zu schmökern.

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