27. Juni 2021

Farbfilmpflicht

====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <====

Pressefotografen hatten jahrzehntelang die Wahl ob sie Ereignisse in Farbe oder Schwarz-Weiß festhielten. Bestand die Wahrscheinlichkeit eines Titelbildes wurde in Farbe, in allen anderen Fällen monochrom fotografiert um Kosten zu sparen. Das alles änderte sich am 22. Januar 1987.

  • Wilt Chamberlain’s 100-point game (Wikipedia, Englisch)

Episodenbild: Von DerFalkVonFreyburg – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4895560


Transkript

Unser kollektives Bildgedächtnis wird von der Pressefotografie dominiert. Und die eindrücklichsten sind oft die schmerzhaftesten Bilder. Tank Man. Napalm Girl. Das Hindenburgdesaster. Oder auch die neueren Fotos des versuchten Sturms auf das Capitol. Sie alle haben gemeinsam, dass sie Pressefotos sind und dass man sie über Bildagenturen wie „Associated Press“ einkaufen kann.

Alles, was wir über die Welt wissen, wissen wir aus den Medien. Und die Medien bekommen ihre Bilder und Geschichten von um die Welt verteilten Nachrichtenagenturen. Die größte aller weltweiten Nachrichtenagenturen ist die „Associated Press“, deren Geschichte schon im Mai 1848 beginnt. Damals ging es weniger um Fotografie als um den zu der Zeit gerade stattfindenden Krieg zwischen USA und Mexiko. Man wollte schlicht nicht für jede Zeitung eigene Reporter runterschicken und so verständigte man sich darauf, weniger Journalisten loszuschicken und dafür dann deren Geschichten in mehreren Zeitungen gleichzeitig zu verwenden.
In den 1880ern dann begann der Siegeszug der Fotografie in den Zeitungen. Und mit dem Bedarf an Fotografie stieg natürlich auch die Menge an Fotografinnen und Fotografen, die ihren Lebensunterhalt mit Pressefotografie bestritten. Pressefotografie ist nicht besonders glamourös: Die meiste Zeit verbringt man in Pressekonferenzen. Oder man wird auf organisierte Reisen hin zu Krisengebieten geschickt. Natürlich gibt es die Stars der Szene, die auf eigene Faust unterwegs sind, die aber dann meistens einen ganzen Tross von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschäftigen. Und in solchen Fällen ist es natürlich oft so, dass die Nachrichtenagenturen, bei denen sie unter Vertrag sind, für die entsprechenden Ressourcen sorgen.

Es ist natürlich diese Wiederverwendung von Bildern, die Fotos dann auch ikonisch machen können. Wenn ein Bild erstmal auf hunderten von Titelseiten und auf tausenden von Nachrichtenportalen zu sehen ist, dann gibt es kein entkommen mehr, wir erinnern uns daran. Und ein Stück weit erklärt das auch, warum immer noch verhältnismäßig wenige private Aufnahmen ikonisch werden.
Es ist einfach selten, dass die großen Ereignisse stattfinden, ohne, dass wenigstens eine Pressefotografin mit im Raum ist. Und wenn der oder die dann auf den Auslöser drückt, dann wird das Bild, das da geschossen wurde, nicht nur vermutlich mit besserem Equipment fotografiert als das durchschnittliche Handyfoto. Viel wichtiger ist, dass es gleich im Anschluss in ein weltweites Netzwerk gekippt wird und so wesentlich mehr Verbreitung findet.
Associated Press ist als Genossenschaft organisiert, man ist also Mitglied. Es gibt über 1400 Mitgliedsorganisationen, die DPA ist ein Beispiel dafür. Und diese Mitgliedsorganisationen, die beschäftigen zum Teil in Festanstellung, zum Teil als freie Mitarbeiter eine Heerschar von Fotografinnen und Fotografen. Damit steigt natürlich dramatisch die Chance, dass bei wichtigen Ereignissen auch die richtigen Menschen vor Ort sind, um diese zu dokumentieren.

Zumindest für die fest angestellten Profis gilt ein Regelwerk von Associated Press, wie die Fotos beschaffen sein müssen. Und zum Teil wird auch das Equipment gestellt. Zurzeit zum Beispiel fotografieren Fotografinnen und Fotografen, die bei AP unter Vertrag sind, mit Equipment von Sony. Ganz besonders Sportfotografie wird mit den Sony Alpha Kameras gemacht und garantiert sozusagen damit Sony ikonische Fotos, die sie dann wiederum in ihren Kampagnen verwenden können. Win Win.
Aber neben dem einzusetzenden Equipment gab es immer auch schon ganz praktische Guidelines. So dürfen AP-Fotos nur minimal bearbeitet werden. Am Kontrast zupfen oder ein bisschen zuschneiden, meinetwegen. Aber Elemente wegstempeln geht schon nicht mehr.
Heutzutage müssen Fotos digital und in ausreichender Auflösung und in Farbe vorliegen. Wer sich also an den alten Meistern orientiert und mit einer Messsucherkamera Fotos auf körnigem Schwarz-Weiß festhält, wird die bei Associated Press und Co. nur noch loswerden, wenn durch irgendeinen Zufall das eigene Bild das einzige verfügbare Foto von einem wichtigen Moment war.

Allerdings passiert auch das öfter, als man denkt. Also, dass nur ein Fotograf, eine Fotografin zufällig vor Ort ist und das einzige verfügbare Foto macht. Selbst in einer Welt, in der wir alle mit Digitalkameras in Form von Smartphones ausgestattet sind, gewinnt dann im Zweifel der professionelle Instinkt und das gekonnte Bedienen der Technik die Oberhand, sollte man als Fotojournalist zufällig gerade vor Ort sein.
Und so erklärt sich auch, warum die Branchenpreise, zum Beispiel der Pulitzer-Preis oder der World Press Photo Award erstaunlicherweise oft mit One-Hit Wonders gefüllt sind. Also einzelnen Bildern, die absolut ikonisch sind, für die man dann eine Fotografin oder einen Fotografen als Urheber ausmacht, von denen ist wenig weiteres Material zu geben scheint. Die haben natürlich trotzdem tausende, zehntausende, manche hunderttausende Fotos produziert, aber halt als Pressefotografen für die Presseagentur und weniger in Form von Fotobüchern oder Prints oder irgendwelchen anderen Veröffentlichungen. Heute möchte ich die Geschichte von einem dieser Fotografen erzählen; Paul Vathis.

Der Sohn griechischer US-Immigranten verbringt den Großteil seines Lebens in seinem Geburtsstaat Pennsylvania in den USA. 56 Jahre lang war er Fotograf für AP. Und wer ihn als Mitglied des Pressepools irgendwo bei einem Auftrag treffen würde, hätte wahrscheinlich nicht gedacht, dass er es mit einem Pulitzer-Preisträger zu tun hatte. Paul war ein guter Fotograf, aber keiner, der Fotobildbände produzierte. Aber Paul hatte ein Händchen dafür, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, oder, falls er durch den Zufall an den richtigen Ort gebracht wurde, zumindest immer eine Kamera parat zu haben.
So war er zum Beispiel am 2. März 1962 der einzige Pressefotograf und der einzige mit einer professionellen Kamera, als sich abzeichnete, dass das Basketballspiel, zu dem er mit seinem Sohn gegangen war, ein Rekordspiel werden würde. Der Spieler Wilt Chamberlain setzte damals nicht nur einen der ganz großen Sportrekorde in der Geschichte des Basketballs, sondern verschaffte damit der NBA endgültig den Durchbruch gegenüber den damals noch dominanten Collage Sport Leagues. Ja, und Paul war nicht nur der einzige Pressevertreter vor Ort, er war auch der einzige, der eine Kamera dabei hatte und so nutzte er die Gelegenheit, die einzigen Pressefotos von dem Event zu produzieren.
Das Bild, für das er dann später den Pulitzer-Preis gewinnen sollte, war ein anderes Foto. Als Pressefotograf ist er in Camp David und er macht eine Aufnahme von einem nachdenklich ins Gespräch vertieften Präsidenten Kennedy und ehemaligen Präsidenten Eisenhower, die die gerade noch frischen Ereignisse der Invasion in der Schweinebucht diskutieren. Fotografisch gibt das Bild nicht viel her. Aber die Ereignisse sind natürlich explosiv und so ist dieses Gespräch auf Augenhöhe zwischen Präsident und ehemaligen Präsidenten natürlich etwas Besonderes.

Das Bild ist schwarz-weiß, wie fast alle Pressefotos aus der damaligen Zeit. Und das ist ganz interessant, denn auch unsere Erinnerungen an die Epochen, die da festgehalten wurden, sind oft von Schwarzweißfotos geprägt, und das, obwohl seit den 60er Jahren eigentlich Farbfilme die meistverkauften Filme sind.
Die ersten Farbfilme tauchen sogar noch viel früher auf. Am Ende des 19. Jahrhunderts, in den 1890er Jahren, gibt es die ersten ernsthaften Experimente, Farbfilme zu produzieren und Farbaufnahmen werden gefertigt. Die waren natürlich weit von jeglicher Serienreife entfernt. An die kam man dann 1912 bis 1915 näher. Und 1935 wird der legendäre und später marktführende Kodachromefilm auf den Markt gebracht.
Kodak hat zunächst die Filmbranche im Blick, schnell wird aber auch klar, dass der Markt der Kleinbildfotografie ein ebenso lukrativer ist. Die Filme lassen sich teurer verkaufen, die Entwicklung ist aufwändiger und kostet mehr Geld und somit sind auch die Margen höher. Ab 1960 ist der Großteil des verkauften Filmmaterials Farbe. Das liegt aber daran, dass die meisten Fotografien im privaten Umfeld gemacht werden.

Pressefotografen hingegen halten ja Ereignisse fest. Und es gilt als ausgemacht, dass man dafür eigentlich normalerweise keine Farbe braucht. Tageszeitungen werden immer noch monochrom gedruckt und selbst Magazine drucken nicht jede Seite in Farbe, sondern wechseln das gerne auch einmal ab.
Und so gibt Associated Press die Vorgabe aus, dass Fotos in schwarz-weiß gemacht werden, außer es besteht die Annahme, es könnte sich um Titelseitenmaterial handeln. Wenn es diesen Verdacht gibt, also, dass es eventuell zu wirklich spektakulären Bildern kommen könnte, dann haben die Profis mehr als eine Kamera dabei und in irgendeiner der Kameras befindet sich dann auch ein Farbfilm. Solche Gelegenheiten sind aber im Alltag der meisten Pressefotografinnen und -Fotografen eher selten, denn wenn man der Pressekonferenz des lokalen Kaninchenzüchtervereins beiwohnt, wird man vermutlich keine Titelseite fotografieren. Und viele entscheiden deswegen noch bevor sie überhaupt losfahren, welches Filmmaterial sie einpacken.

Lokalkonferenz von einem Provinzpolitiker? Aah, vielleicht doch eher schwarz-weiß. So oder so ähnlich dachten sich das Paul und seine Kolleginnen wohl am 22. Januar 1987, als sie sich auf dem Weg zur Pressekonferenz des damaligen Treasurers, Senatoren und Lokalpolitikers in Pennsylvania Budd Dwyer machten. Budd Dwyer war in einen Bestechungsskandal verwickelt. Er hätte, so der Vorwurf, einen großen staatlichen Vertrag im Tausch gegen einen 300000 Dollar Kickback an ein Unternehmen aus Kalifornien vergeben. Das Ganze zieht sich über Monate hin. Es kommt zu einer ganzen Reihe von Rechtsverfahren. Und Rechtsverfahren in den USA sind teuer, insbesondere, wenn man als Staatsbediensteter wie Dwyer gerade mal 58000 Dollar im Jahr verdient. Dwyer bietet irgendwann an, einen Lügendetektortest zu machen, aber unter der Bedingung, dass ein negatives Testergebnis bitte zum Ende des Verfahrens führen sollte, eine Bedingung, die abgelehnt wird. Er wird von einem lokalen Gericht schuldig gesprochen, ein Urteil, das er anfechtet. Am 23. Januar 1987 steht eine finale Entscheidung an und so erwarten alle, dass Dwyer in der Pressekonferenz am 22., also am Vortag, seinen Rücktritt als Treasurer erklären wird. Und sowas ist sicherlich interessant für die Lokalpresse, aber Titelseitenmaterial ist es nicht. Und deswegen packt niemand Farbfilme ein. Alle Fotografinnen, auch Paul, laden ihre Kameras mit Schwarzweißfilmen.

Dwyer hält eine Rede, 30 Minuten lang, in der er unter anderem nochmal versucht, darzustellen, dass er sich keinerlei schuldbewusst ist, dass er das Opfer einer Schmutzkampagne ist, einer Kampagne, gegenüber der er sich wehrlos ausgeliefert sieht, eine Kampagne, die ihn zu ruinieren droht. Sein Staff und die anwesenden Journalisten sind sich sicher: Jeden Augenblick wird der angekündigte Rücktritt kommen.
Aber das ist der Moment, in dem das Ganze eine drastische Wendung nimmt. Dwyer greift zu einem Umschlag, aus dem er eine 357er Magnum herauszieht, das ist ein massiver Revolver. Die Leute im Raum erkennen, was er zu tun versucht und reden auf ihn ein. Dwyer sagt noch, dass die, denen das jetzt gleich zu schockierend sein wird, doch bitte schnell den Raum verlassen mögen, und es soll ihm bitte niemand zu nahe kommen, er will niemanden verletzen. Aber es ist klar, dass, wenn er nicht schnell handelt, irgendjemand auf ihn draufspringen und ihm die Waffe abnehmen wird. Und deswegen nimmt er den Revolver, steckt ihn sich in den Mund und drückt ab. Er ist sofort tot.

So viel also zu einer langweiligen Pressekonferenz, die kein Titelseitenmaterial wird. Genau das Gegenteil ist der Fall. In den USA ist dieser Selbstmord auf jeder Titelseite. Das Bild, das auf den Titelseiten auftaucht, ist das Schwarzweißfoto von Paul Vathis. Es zeigt Budd Dwyer mit entschlossenem Gesichtsausdruck und dem Revolver in der Hand, Sekundenbruchteile, bevor er sich den Lauf in den Mund steckt. Paul war zufällig am richtigen Ort gestanden und hatte die Kamera sowieso gerade auf ihn gerichtet. Und so hält er den Moment ohne Wiederkehr fest.
Es gab eine Farbfilmaufnahme dieses ganzen Moments, und zwar war eine Nachrichtenkamera mit im Raum für die lokale TV-Station. Die hatte aber nicht nur einen ungünstigeren Winkel, sondern auch schlechtere Bildqualität und so konnte man das Bild nicht für Printmedien, für Magazine und Zeitungen verwenden.

Trotzdem liefen diese Aufnahmen natürlich in den folgenden Wochen kreuz und quer durch die USA. Die TV-Sender spalteten sich in zwei Lager. Die Mehrzahl der Stationen entschied sich aktiv dagegen, den Schuss zu zeigen, aber natürlich gab es auch die TV-Stationen, die der Versuchung nicht widerstehen konnten, das Video in all seinen Details abzuspielen. Und so kam es in den USA gleich auch noch zu einer Medienethikdebatte, zusätzlich zu der Frage, ob Budd Dwyer durch seinen Selbstmord nun bewiesen hat, wie unschuldig er gewesen war oder wie schuldig er denn nun sein musste. Schuldig war dann auch der Urteilsspruch der nachfolgenden Verhandlungen.
Allerdings blieb auch ein ziemlich fader Geschmack und einiges an Fragen zurück, denn es tauchte der Verdacht auf, dass Budd Dwyer den öffentlichen Freitod gewählt hatte, um seiner Familie den finanziellen Ruin zu ersparen. Die schon aufgehäuften Verfahrenskosten waren weit mehr als er sich eigentlich leisten konnte und hätte er abgewartet, bis er endgültig schuldig gesprochen war, ein Urteil, das als sicher galt, dann hätte er jegliche Pensionsansprüche verloren. Zu der Zeit die höchsten Pensionsansprüche, die jemals in der Geschichte von Pennsylvania ausgezahlt worden waren, über 1,3 Millionen US-Dollar. Weil Budd Dwyer noch vor dem Schuldspruch aus dem Leben geschieden war, konnte seine Witwe diese Pensionskosten geltend machen und damit den finanziellen Ruin abwenden.

Bis heute gibt es Leute, die Zweifel an dem Schuldspruch anmelden und der Überzeugung sind, Budd Dwyer wäre eigentlich unschuldig gewesen. Die TV-Stationen gaben sich zum Teil neue Regeln in solchen Fällen. Schockierende Ereignisse wie der Freitod vor der Kamera sollten einfach nicht mehr ungefiltert ausgestrahlt werden dürfen. Und Paul Vathis war ein weiteres Mal zum Pulitzer-Preis nominiert.
Gewonnen hat er ihn damals nicht, aber er war der letzte Associated Press Photographer, der ein schwarz-weißes Pressebild zum Pulitzer einreichte. Denn AP gab sich mit dem Ereignis rund um Budd Dwyer neue Regeln: Egal, ob es teurer in der Entwicklung und in der Anschaffung sein würde, ab jetzt mussten Pressefotos in Farbe sein.

1990 dann begann nach und nach der Siegeszug der Digitalkameras. Der war am Anfang noch gemächlich, aber eben auch von Anfang an in Farbe. Die erste Digitalkamera, die für Journalistische Zwecke verwendet wurde, war in Kooperation zwischen Kodak und Associated Press. 0,8 Megapixel hatte diese Kamera. Als dann rund um das Jahr 2000 die ersten digitalen Spiegelreflexkameras mit über 6 Megapixeln auf dem Markt waren, war es um die Filmkameras nach und nach geschehen – 2010 waren analoge Kameras zumindest in Pressekonferenzen komplett verschwunden. Und das ist vielleicht eine dieser wichtigen Unterscheidungen: Es gibt nach wie vor Pressefotos, die auf Film gemacht werden. Das sind aber dann keine zeitkritischen Aufträge. Und meistens sind es dann auch die Fotografinnen und Fotografen, die schon immer mit Film gearbeitet haben und schon seit ein paar Jahrzehnten im Geschäft sind.
Ganz allgemein hätte sich dann heute außerdem auch die Lage komplett gedreht: Die billigsten Filme und die niedrigsten Laborkosten hätten heute Farbfilme. Es sind die Schwarzweißfilme, die inzwischen zur Ausnahme werden, die von Hand anstatt automatisiert entwickelt werden müssen. Und drum mag es so sein, dass schwarz-weiß unser ikonisches Pressefotogedächtnis geprägt hat. Aber moderne Bilder, die sind nur dann noch in schwarz-weiß, wenn die Fotografinnen und Fotografen das aus künstlerischen Gründen aktiv so entschieden haben.

Unser kollektives Bildgedächtnis wird geprägt von Bildagenturen. Associated Press ist die größte Nachrichtenagentur der Welt und damit eine der wichtigsten Bildlieferanten. Und zusammen mit Getty und Corbis dominieren sie, welche Bilder wir sehen und welche Nachrichten wir lesen. Kleiner Infoschnipsel dazu am Rande: Corbis und Getty Images, die zwei größten reinen Bildagenturen der Welt, gehören einer chinesischen Investorengruppe. Im Grunde bekommen wir also die Bilderflut um uns herum mehr oder weniger aus ein bis zwei Händen. Und ich finde, das sollte uns, egal ob jetzt Farbe oder schwarz-weiß, wirklich zu denken geben.

1 Response

  1. Lutz Prauser sagt:

    Hallo Dirk,

    hier muss der ehemalige schreibende Lokaljournalist einmal kurz aus der Vergangenheit plaudern. S/W Fotografie im Print hatte bis in die späten 80er zwei ganz einfache Gründe.

    1. Die Verlagshäuser haben s/w gedruckt, weil es signifikant billiger war, eine zweite Farbe oder 4c gab es nur für das erste Buch des Mantels (also auch die Titelseite) und oft für die Wochenend- oder Sonderbeilagen, die immer vorproduziert wurden.
    Anzeigenkunden mussten damals die zweite Farbe oder 4c teuer extra bezahlen. Das hat auch was damit zu tun, dass die Zeitungsdruckereien gar nicht ausgestattet waren, alle Bücher einer Zeitung in 4c zu drucken. Da musste mächtig in die Umrüstung und Modernisierung der Druckstraßen investiert werden, ein Prozess, der erst in den 90ern und frühen 2000ern erfolgte.

    2. Viel relevanter aber war, dass tagesaktuelle Berichterstattung mit Farbfotografie kaum möglich war. Die Entwicklung der Pressefotos erfolgte in den Dunkelkammern der Fotografen/Redaktion, so dass die Fotoabzüge den Redaktionsleitern vorgelegt und rechtzeitig vor Druckunterlagenschluss an die Druckerei geschickt werden konnten – noch als Papierbilder; Hochglanz natürlich, aber nur minimal fixiert, denn das war nicht nötig, da die Originalbilder nach ein paar Wochen oft nach Druck im Müll landeten. Man hatte ja die Negative. Und Fixierbäder kosteten nur Zeit und Geld.
    Farbfilme/Bilder hätten das niemals geschafft – zudem, da in der Dunkelkammer bei S/W gleich bei den Abzügen Vergrößerungen, Ausschnitte etc erstellt werden konnten. Es wäre viel zu aufwändig gewesen, entsprechende Labors bei den Verlagen einzurichten – damals, als es bis in die Kleinstädte noch Lokalredaktionen gab, die sich selbst um die Bilder kümmerten. Das Problem hat sich erst durch die Digitalisierung und die Bearbeitung der Bilder am Schirm gelöst.
    Bis dahin hatten viele Fotografen ein zweites Gehäuse mit Farbfilmen mit dabei, um ggf. doch ein Farbfoto machen zu können – fürs Cover, für eine farbige Beilage oder erst mal fürs Archiv.
    Und während wir Schreiber die Termine in ganzer Länge wahrnahmen, düsten die Fotografen von Termin zu Termin, dann zurück in die Redaktion, entwickelten die Filme und belichteten die Fotos.
    Kamen dann wir Schreiberlinge zurück, lagen die Bilder zumeist schon fertig vor während die Fotografen die nächste Runde drehten. Aber was bis abends nicht geschrieben/fotografiert war, war auch am nächsten Tag nicht im Blatt. Denn die Druckmaschinen rollten an, damit die Zeitungen am nächsten Morgen ganz früh von den Kurierfahrern abgeholt und an die Verlagsstellen gebracht werden konnten. Mit durchgängigen Farbbildern wäre das seinerzeit nicht möglich gewesen.

    Liebe Grüße
    Lutz

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