====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <====
Der Welt berühmteste Eisberg existiert gar nicht.
- Ralph Clevenger’s Webseite
- Creating a Timeless Masterpiece – with Ralph Clevenger (Podcast)
- The Iceberg Stock Photo That Has Earned Over $900K
- The World’s Most Inspirational Iceberg Is a Fake
- Google Bildersuche
- Eisberg (Wikipedia)
- Nils Pooker auf Twitter
Transkript
Ralph Clevenger ist der Fotograf, der den ikonischsten Eisberg der Welt fotografierte. Und er war zu der Zeit schon etabliert. National Geographic gehörte zu seinen Klienten, Naturfotografie war seine Spezialität. Er studierte zunächst Zoologie, verlor sein Herz dann aber an die Fotografie und studierte deswegen ein weiteres Mal am „Brooks Institut of Photography“, wo er später dann auch über 30 Jahre lang zum Lehrkörper zählte.
Er hat jedenfalls viel in der Branche gearbeitet. Er hat Lehrbücher geschrieben und Fotos für verschiedenste Magazine und Veröffentlichungen produziert.
Aber keines war so erfolgreich wie dieses eine Eisbergfoto, um das es heute geht. Wer es noch nicht gemacht hat, sollte es vielleicht jetzt kurz mal tun, „Eisberg“, „tip of Iceberg“ oder „Spitze des Eisbergs“ in die Google Bildersuche tippen und dann das ikonischste aller ikonischen Eisbergfotos vor sich sehen.
Das Besondere an diesem Bild ist nicht, dass es mit Analogfilm gemacht wurde 1998, wir hatten ja nix damals. Das Besondere ist auch nicht diese knallige Farbe und dass wir als Stockphoto die Wahl zwischen Eisberg links, recht, Mitte haben. Nein, das Besondere an diesem Bild ist, dass es diesen Eisberg so nie gegeben hat. Den kann man so nämlich gar nicht fotografieren, auch mit modernen Mitteln nicht.
Eisberge, so wissen wir, haben den Großteil ihrer Masse unter Wasser und so haben wir dieses Bild vor Auge, wenn wir an Eisberge denken. Aber fotografieren kann man einen Eisberg so nicht. Das Wasser ist einfach nicht klar genug, damit wir den Berg in seiner Gänze so festhalten könnten.
Das war auch Ralph Clevenger klar, als er die Idee zum Bild hatte. Photoshop muss damals in der Version zwei oder drei gewesen sein.
Jedenfalls wusste Ralph, welchen Bildeindruck er erzeugen würde und die einzige Aufgabe bestand dann darin, die richtigen Bestandteile zusammenzufügen, der Himmel und das Wasser stammen aus Kalifornien. Dann ist da die Spitze des Eisbergs, die übers Wasser ragt, die fotografierte er in der Antarktis. Und dann ist da noch der Teil unter Wasser. Ja und der Teil war auch ein richtiger Eisberg, allerdings einer aus Alaska und der war nicht unter Wasser im Original, sondern eine andere Eisbergspitze über Wasser.
Ralph erzählt in Interviews, dass der auch wirklich so authentisch blau strahlte, was dann später die Arbeit in Photoshop erheblich leichter machte.
Die Teile wurden also auf Slidefilm fotografiert und danach digitalisiert,um dann bearbeitet zu werden. Insgesamt war das Bild über 18 Megabyte groß, was für damalige Verhältnisse geradezu monströs war. Erzeugt wurde das Bild in drei Varianten, Hochkant Eisberg mittig, Querformat Eisberg mittig und Querformat Eisberg links. So konnte man dieses Foto ideal mit Text kombinieren, als Titelbild oder als Magazin-Spread verwenden, denn von Anfang an war klar, dass dieses Foto als ein Stockphoto verkauft werden würde. Und deswegen wurde es auch sofort entsprechend vermarktet. Von Tag 1 weg gab es Käufer für dieses Bild, denn das Bild hatte eine ganz besondere Eigenschaft, es war nicht nur originell, zu der Zeit gab es solche Fotos noch nicht. Heute sehen praktisch alle Eisbergfotos so aus wie dieses ikonische Bild. Aber damals war das eine vollständig neue Idee. Gleichzeitig konnte man diese Metapher für alles Mögliche verwenden. Und so fanden sich Käufer quer durch alle Industrien. Bis heute wird dieses Foto immer und immer wieder in Werbekampagnen verwendet.
Und für Ralph Clevenger heißt das, die Ausbildungskosten seiner Kinder sind von einem Eisbergfoto finanziert worden, denn von der über eine Million Euro, die dieses Bild bis jetzt eingespielt hat, hat er so rund 40% verdient.
Nicht schlecht als Einnahme von einer Fotoidee.
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