2. Oktober 2020

Einsteins Sonnenfinsternis

====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <====

1919 findet eine bis heute berühmte Sonnenfinsternis statt die Albert Einstein über Nacht zu einem internationalen Popidol machen sollte.

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Image Source: By ESO/Landessternwarte Heidelberg-Königstuhl/F. W. Dyson, A. S. Eddington, & C. Davidson – https://www.eso.org/public/images/potw1926a/, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=80091497


Transkript

Das Bild um das es mir heute geht entsteht am 29 Mai 1919 und zu dem Zeitpunkt kennt Albert Einstein außerhalb der Physiker Gemeinde kein Mensch. Dabei hatte er durchaus schon eine bemerkenswerte Karriere hinter sich. Ursprünglich wollte Einstein offenbar einmal Lehrer werden und zwar für Physik und Mathematik, obwohl er die Mathematik eher lästig fand und während dem Studium hauptsächlich durch Abwesenheit glänzte. Der gebürtige Ulmer lebte und studierte damals in der Schweiz und 1901 während er versuchte sich als Hauslehrer durchzuschlagen wurde er deswegen auch schweizer Staatsbürger. 1903 wechselt er seinen Beruf und wird Angestellter beim Patentamt in Bern. 

In dieser gesamten Zeit als Hauslehrer und als Angestellter beim Patentamt hatte sich Einstein mit verschiedenen physikalischen Problemen beschäftigt und deswegen veröffentlicht er 1905 mehrere seiner wichtigsten Papiere überhaupt, da ist nämlich einmal seine Dissertation, dann eine Arbeit zum photoelektrischen Effekt für die er später dann auch noch den Nobelpreis bekommen sollte und zwei weitere Papiere, die man heute zusammengefasst als spezielle Relativitätstheorie kennt mit der berühmten Formel E=mc².

All diese Unterlagen machten ihn jetzt nicht bekannt, legten aber die Grundlage für seine

Karriere als Physiker. Und die bringt ihn 1913 nach Berlin, wo er Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Direktor des Kaiser-Wilhelm Institut für Physik ist. In der Zeit veröffentlicht Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie, die auf den Kopf stellt was man bisher als gesichert angesehen hatte, nämlich die newtonsche Gravitationsgesetze.

Unter Newton nahm man an, dass Gravitation so ähnlich funktioniert wie Magnetismus, d.h. der Körper erzeugt ein Feld, dass sozusagen Anziehung erzeugt.

Einstein stellte diese Annahme grundsätzlich in Frage, er behauptete Gravitation ist nichts anderes als der Effekt, den wir beobachten, wenn Masse den Raum krümmt, je größer die Masse, desto größer der Effekt.

Es gab auch mehrere Vorhersagen, basierend auf dieser Erkenntnis, z.B., dass Gravitation auch, wenn sie den stark genug wäre, Licht ablenken würde. Und zwar stärker abzulenken, als es von den newtonschen Gesetzen zu erwarten wäre. Was man also tun müsste wäre, ein sehr massereiches Objekt vor Sternen vorbeiziehen zu lassen und die Position dieser Sterne zu notieren, die würde sich nämlich in der Nähe des Objekts verändern und so könnte man nachprüfen ob die Vorhersagen von Einsteins Theorie mit der Wirklichkeit übereinstimmen. 

Jetzt gibt es nur ein Problem, das einzige Objekt im Sonnensystem, dass genug Masse hat um so ein Experiment durchzuführen ist die Sonne und wenn man Richtung Sonne schaut, sieht man leider die umliegenden Sterne nicht mehr. Das ist also der Stand der Dinge 1915, es ist diese Zeit, in der ein Professor der Astronomie, Sir Arthur Stanley Eddington, von den Theorien Einsteins erfährt und sofort erkennt, was die allgemeine Relativitätstheorie denn für Auswirkungen hätte, wenn sie denn wahr wäre. Erfahren hat er von der Theorie durch, sagen wir mal, eine Art Kettenbrief, ein gemeinsamer Bekannter von Eddington und EInstein hatte mehrere Briefe an verschiedene Institute abgeschickt um darauf hinzuweisen welche mögliche Bedeutung diese Arbeit von Einstein haben könnte.

Es ist der Erste Weltkrieg. Auf den Weltmeeren werden Schiffe von deutschen U-Booten versenkt und gerade in Großbritannien hat man zum Teil wirklich anderes im Sinn, als sich die Arbeiten deutscher theoretischer Physiker anzuschauen. Ja manch einer mag schon deswegen nicht draufschauen, weil es ja der Feind ist. Nicht so Eddington. Er glaubt, Wissenschaft ist wichtiger und größer als Politik oder Krieg.

Und so beginnt er mit der Arbeit an einem Versuchsaufbau, mit dem sich die Theorien Einsteins erhärten ließen. Es geht nämlich sehr wohl einen Moment, in dem man Richtung Sonne schauen und gleichzeitig den Nachthimmel sehen kann. Während einer totalen Sonnenfinsternis ist genau das möglich. Und eine Sonnenfinsternis als Kandidat war auch schnell gefunden. Am 29. Mai 1919 wären nämlich in Brasilien und an der Küste Afrikas geradezu perfekte Bedingungen. Allein jetzt gab’s noch ein nicht ganz unwesentliches Problem. Dieses Experiment war ganz schön teuer. Es mussten Teleskope konstruiert, Fotoapparate gebaut, Expeditionen ausgerüstet werden. Und das alles während einem Weltkrieg, während dem es wirklich nicht sicher war, über die großen Ozeane zu schippern. Ein Bekannter von Eddington, nämlich Sir Dyson, war der Leiter der Königlichen Astronomischen Gesellschaft und hilft bei der Sicherung der Finanzmittel. Es werden zwei Expeditionen ausgestattet, eine, um eben in Brasilien Aufnahmen zu machen, die andere fährt an die Küste Afrikas. Und schon während der Vorbereitungen war das ganze Projekt mehrmals auf Messers Schneide, nicht zuletzt auch, weil es fast so aussah, als würden Streiks von Schiffahrtsverbänden in letzter Minute noch dafür sorgen, dass man nicht mehr aufbrechen konnte. Und auch die Überfahrt war eigentlich nur deswegen sicher, weil gerade rechtzeitig ein Waffenstillstand vereinbart worden war. Die Weltpresse verfolgt die gesamten Vorbereitungen aufmerksam. Isaac Newton vs die moderne theoretische Physik, so lässt sich das wohl zusammenfassen. Als dann also Eddington mit den Aufnahmen zurückkehrt und nach wochenlanger Auswertung bekannt geben kann:Jawohl, Einsteins Theorie stimmt. Er hatte recht mit seinen Vorhersagen war das im Rahmen einer Pressekonferenz und eine weltweite Sensation. Die Royal Society bezeichnet das Ganze als Triumph des menschlichen Geistes. Die Times titelt Revolution in Science und der Name Albert Einstein war ab da weltberühmt, und zwar nicht nur bei Physikern.

Praktisch über Nacht wurde er zu einem internationalen Celebrity. All das, inklusive der Vorbereitungen des Experiments, passiert übrigens unter Abwesenheit Albert Einsteins. Tatsächlich hatte nur der gemeinsame Freund, der in den Niederlanden lebte und damit in einem neutralen Land Kontakt zu beiden. Aber Einstein verfolgte das Ganze tatsächlich eher aus der Distanz. Für Eddington war das Ganze wenig überraschend einer der großen Momente seiner Karriere. Er würde später zu einem der führenden Experten zur Allgemeinen Relativitätstheorie und schrieb das erste Lehrbuch zum Thema. Seine wachsende Bekanntheit nutzte Einstein, um die ganze Welt zu bereisen. Er besuchte Lehrveranstaltungen und hielt Vorträge, bekam Ehrendoktorwürde und akzeptierte schließlich von der Princeton University einen Lehrauftrag. Für eine Weile würde er halbjährlich wechseln zwischen Berlin und New Jersey und jeweils dort dann lehren. Inzwischen wusste man auch so einiges über Einsteins Ansichten. Er war Sozialist und Pazifist und hatte das bei mehreren Gelegenheiten wörtlich und schriftlich niedergelegt. Damit war natürlich dem NS-Regime ein Dorn im Auge. Die zwang ihn wie andere aus der Akademie der Wissenschaften auszutreten und leiteten schließlich eine Straf Ausbürgerung ein. Ab jetzt hatte Einstein seinen Wohnsitz in den USA, das Land, in dem er dann irgendwann auch die Staatsbürgerschaft anstrebte und bekam. Zeit seines Lebens forschte er an den großen Themen der Wissenschaft und äußerte sich immer wieder auch politisch. Als Wissenschaftler fühlte er sich mitverantwortlich für die großen Themen der Zeit. In der Öffentlichkeit prägte sich nach und nach das Bild von ihm als dem prototypischen schrulligen Professor ein. Einstein spricht ein ganz furchtbares Deutsch Englisch.

[Einspieler:]

.”The common language of science. The first step to what’s language was to link accoustical or otherwise commutable science to sense impressions. Most likely all sociable animals have arrived at this primitive kind of communication.”

Außerdem kleidet er sich einigermaßen nachlässig und hat meistens wirre Haare. Bei öffentlichkeitswirksamen Auftritten macht ihn das natürlich auch zu einem beliebten Pressefoto Objekt. Und da sind wir jetzt bei dem anderen berühmten Foto, das mit daraus gestreckten Zunge. Es ist Albert Einsteins 72. Geburtstag und er ist auch so einigermaßen genervt von der Presse um ihn herum. Diverse Fotografen und Journalisten wollen sich mit ihm unterhalten und Fotos von ihm und es soll mal hier posieren und da posieren. Und die meiste Zeit ist er einigermaßen mürrisch unterwegs. Der Abend neigt sich dem Ende zu und Einstein macht sich auf den Weg nach Hause. Das Auto ist umlagert von Fotografen, unter ihnen auch der Agentur Fotograf Arthur Sasse ruft “Professor Please smile for your birthday picture.” Und Albert Einstein dreht sich ihm zu, streckt die Zunge aus und schaut dann wieder weg. Im Originalfoto sitzt er bereits im Auto mit seinen zwei Begleitern, Misses Aydelotte und Mister Aydelotte links und rechts von sich. Wahrscheinlich dachte Einstein, er würde den Shot von Arthur Sehers ruinieren. Der war allerdings schnell genug, im Gegensatz zu all seinen Kollegen und schickte auch später einen Druck an Einstein. Im Grunde hätte da die Geschichte vorbei sein können. Aber Albert Einstein fand dieses Bild so lustig, dass er anfing, Nachdrucke davon zu bestellen und als Postkarten und Poster und Bilder zu verschenken. Nachdem Einstein sowieso schon den Ruf weg hatte. Schrullig bis bizarr zu sein, passte dieses Bild perfekt und trat jetzt den Siegeszug durch die Presse an. Das Bild ist heute so berühmt wie damals eine der großen Fotoikonen der Menschheit.

[Einspieler:]

“This picture of Einstein sticking out his tongue selling for almost 75.000$ this week. It’s one of just 9 prints.”

Es existieren noch neun original Abzüge dieses Bildes. Und wer zufällig 75 000 Dollar übrig hat, kann ja mal sein Glück versuchen. Halten wir also fest Das berühmteste Bild von Einstein mag das mit der Zunge sein, aber das Bild, das Einstein über Nacht zum weltweiten Celebrity gemacht hat, war ein Foto einer Sonnenfinsternis. Und das finde ich jetzt mal wirklich sehr cool.

1 Response

  1. Corinna sagt:

    Danke für den höchst interessanten Einblick, vor allem die Audio-Sequenz von Einstein fand ich faszinierend. Danke auch für deine barrierefreie Arbeit!

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