1. Juni 2022

Lee Miller – Eine Frau, viele Leben

====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <====

Lee Miller hatte ein Leben das atemlos macht: Befreundet mit dem who is who der Surrealisten-Szene des 20. Jahrhunderst, berühmtes Fashionmodel, erfolgreiche Fashionfotografin, Journalistin, Kriegskorrespondentin, Sterneköchin und Weltbürgerin sind nur einige ihrer Rollen.

Episodenbild: U.S. Army Official Photograph - http://astro.temple.edu/~gurwin/hist.0690syb2005.html, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=77888314

Transkript

Tänzerin, Model, Werbefotografin, Journalistin, Kriegsreporterin, Sterneköchin.
Lee Miller hat eine Biografie, die mich völlig atemlos zurückgelassen hat.
Und ihr habt sie mir gleich mehrfach empfohlen.
Ich grüße jetzt hier mal stellvertretend Silke, deren E-Mail ich vor kurzem in meiner
Inbox fand, und Boris, der mich beide auf das erste Foto, das ich von Lee Miller je
gesehen habe, hinwies, das den Titel „Die Dame in Hitlers Badewanne“ trägt.
Lee Miller heißt eigentlich Elizabeth Miller, später dann Lady Elizabeth Penrose, und wird
1907 im Bundesstaat New York geboren.
Ihr Vater war ein Ingenieur, ihre Mutter eine Krankenschwester und sie hatte zwei Geschwister.
Schon die kleine Lee war eher umtriebig und schwer zu bändigen, aber ihr Vater unterstützte
das.
Und so wurden mit den Geschwistern Seifenkisten gebaut und Rennen gefahren, Dinge erklommen
und Gerätschaften ausprobiert.
Und wie um die Zeit nicht ganz unüblich, besonders für einen Ingenieurshaushalt, wurde
durchaus auch schon fotografiert.
Der Vater war begeisterter Amateurfotograf und so konnte die kleine Lee schon sehr früh
erste Gehversuche mit damals üblichem Gerät, wie zum Beispiel der Kodak Brownie, machen.
Der Vater war ambitionierter Fotoamateur und entdeckte seine ungewöhnlich hübsche Tochter
früh als Fotomodell.
Er fotografiert Porträts und Akte und Lee steht für beides Modell.
Schon früh prägt sich bei Lee jedenfalls Interesse für die schönen Künstler heraus
und sie überlegt eventuell Tänzerin werden zu wollen.
Ihre Schulzeit jedenfalls war mühsam.
Sie wird über die Jahre aus praktisch jeder Schule geworfen, in der ihre Eltern sie eintragen.
Mit 18 zieht sie nach Paris und studiert Bühnenbildnerei, Kostümdesign und Bühnenbeleuchtung und kehrt
1926 nach New York zurück.
Diesmal zieht sie nach Manhattan.
Hier will sie Malerei und Zeichnung studieren.
Als sie eines Tages auf dem Heimweg war und gedankenlos auf die Straße geht, wird sie
beinahe von einem LKW überfahren.
In letzter Sekunde reißt sie einen Passant, der sie beobachtet hat, auf den Gehweg zurück
und Lee, die zu Tode erschrocken ist, sinkt erstmal ohnmächtig in seine Arme.
Und diese Anekdote ist wirklich folgenreich, denn der Mann, der sie da vor dem sicheren
Tod gerettet hatte, war niemand anderes als Condé Nast, dem Herausgeber von Zeitungen
wie Vogue, The New Yorker oder Vanity Fair.
Der hält jetzt also plötzlich eine elegant gekleidete, fließend französisch sprechende,
wunderschöne junge Dame in den Armen und sieht in ihr das perfekte Gesicht für das
nächste Titelblatt der Vogue.
Denn zu der Zeit wurde nach dem perfekten, modernen Mädchen gesucht als Titelfigur für
Magazine wie Vogue.
Und Lee Miller entsprach dieser Idee bis aufs Haar.
Und deswegen startet Lee ihre Modelkarriere mit einem Knall, mit einem Titelbild auf der
Vogue.
Die nächsten zwei Jahre machen sie dann zu einem der meisten gesuchten Models in ganz
New York.
Und sie arbeitet mit allem, was Rang und Namen hat.
Es kommt zu mir klar, als der Fotograf Edward Steichen eine Aufnahme Millers verwendet,
um eine Werbekampagne für Damenbinden zu bebildern.
Das beendet ihre Karriere als Fashionmodel, allerdings hatte sie darauf inzwischen sowieso
immer weniger Lust gehabt und nach Gelegenheiten gesucht, um auf Reisen zu gehen.
Die bot sich, als ihr einen Fashiondesigner anbot, in seinem Auftrag nach Paris zu reisen
und Designskizzen von Renaissance-Gemälden zu fertigen.
Also die Kleidung zu skizzieren, die man dort sieht.
In Paris passieren mehrere Dinge.
Erstens, Lee Miller war in Sekunden von dieser Aufgabe zu Tode gelangweilt.
Schon ihr ganzes Leben lang war sie bekannt dafür, dass sie sich zu nichts hinreißen
ließ, wenn es ihr keinen Spaß bereitete.
Und Renaissance-Gemälde abmalen gehörte eindeutig in diese Kategorie.
Außerdem war Lee Miller ein Partygirl.
Innerhalb kürzester Zeit netzwerkt sie sich einmal kreuz und quer durch die künstlerische
Szene Paris.
Sie war ungebunden, sie war trinkfest, sie war sexuell aufgeschlossen und sah umwerfend
aus.
Also macht sie das, was ihr als Tochter ihres Vaters als erstes in den Sinn kommt.
Sie besorgt sich eine Kamera und statt die Kleidungsstücke abzuzeichnen, macht sie einfach
Fotos davon.
Und was mit dem Abfotografieren von Gemälden anfängt, hört dann erstmal nicht mehr auf.
Sie fotografiert die Menschen um sich herum und experimentiert mit der Fotografie als
künstlerischer Ausdruck, als surreales Medium.
Wir haben das Jahr 1929.
Lee Miller beschließt jetzt, ernsthaft ihr Glück als Fotografin zu suchen.
Alles, was ihr fehlt, ist ein Lehrer, der ihr die Techniken der künstlerischen Fotografie
nahe bringen kann.
In Paris wird sie auch schnell fündig.
Der berühmte Fotograf und Künstler Man Ray wäre der perfekte Lehrmeister.
Sie sucht seinen Kontakt und bietet sich ihm als Model an.
Er will eigentlich keine Studenten aufnehmen, aber Lee war noch nie gut darin, „Nein“
als Antwort zu akzeptieren.
Der Widerstand kann auch nicht lange angedauert haben, denn sie zieht relativ schnell praktisch
bei ihm ein, wird eines seiner häufigsten Models, eine Mitarbeiterin in seiner Dunkelkammer
und in seinem Studio allgemein, seine Muse und seine Liebhaberin.
Die beiden arbeiten in der Zeit so eng zusammen, dass bei einer Menge Aufnahmen gar nicht ganz
klar ist, ob das nun Aufnahmen von Lee Miller oder von Man Ray waren.
Die Fotografien, die sie schaffen, sind sehr künstlerisch und surreal.
Und das liegt unter anderem auch an der ausgefeilten Verfremdung, die in der Dunkelkammer stattfindet.
Es wird mit vielen Techniken experimentiert und eine der wichtigsten, stilprägendsten
Techniken, die die beiden perfektionieren, ist die sogenannte Solarisation.
Ich werde das jetzt hier nicht detailliert ausführen, aber es ist so eine Art gezielte
Überbelichtung.
Bilder, die auf die Art entstehen, sehen sehr prägnant und eigentümlich aus, sehr kontrastreich.
Und in den 60er Jahren wird es ein sehr weit verbreiteter und beliebter künstlerischer
Bildeffekt.
Für die Surrealisten, zu denen Lee Miller und Man Ray ja damals gehörten, war an diesem
Effekt besonders wichtig, dass er praktisch durch einen Zufall entstand und dass die Ergebnisse
nur sehr vage kontrollierbar waren.
Über den Freundeskreis von Man Ray und die Partys, die auch dort reichlich stattfanden,
lernt Lee Miller jedenfalls das Who is Who der damaligen Künstlerszene kennen.
Leute wie Jean Cocteau oder eben auch Pablo Picasso gehen ein und aus und zählen zu ihren
Freunden.
Über die Jahre fertigt Pablo Picasso sechs Gemälde von Lee Miller an und wird wieder
und wieder von ihr fotografiert.
So produktiv ihre Zusammenarbeit mit Man Ray auch ist, schnell hat sie das Bedürfnis,
ein eigenes Studio aufzubauen und wird in kürzester Zeit zu einer etablierten Fotografin
in Paris.
Ein Faktor mag hier auch gewesen sein, dass es zwischen Man Ray und Lee Miller auch reichlich
und regelmäßig krachte.
Denn Man Ray, der eigentlich ja offene Beziehungen und freie Liebe propagierte, hatte so seine
Probleme, dass die schöne Lee sich nicht in einer monogamen Beziehung einsperren ließ.
Und so zofften die beiden sich regelmäßig, bis es irgendwann einfach auch mal zu viel
war.
1932 ist ihr die Szene in Paris ganz allgemein zu langweilig geworden.
Sie kehrt wieder nach Manhattan zurück und beschließt, den Erfolg des Fotostudios in
Paris in New York zu wiederholen.
Erfolgreich, innerhalb kürzester Zeit ist sie eine der gefragtesten Fotografinnen der
Stadt.
Und nach nur drei Monaten zurück hat sie ihre erste große Ausstellung, in der es nur um
ihre Arbeiten geht.
Aber auch ihr zweites erfolgreiches Fotostudio hält sie nicht lange.
Als sie den Ägypter Aziz Bey kennenlernt und sich in ihn verliebt, beschließt sie
kurzerhand, ihr Leben in New York zu beenden und mit ihm nach Ägypten zu ziehen.
Die beiden heiraten und für Li beginnt eine Zeit, in der sie offiziell weder als Fotografe
noch sonst irgendwie professionell tätig ist.
Ihr Alltag besteht aus Reisen und Expeditionen in die Wüste und das Umland Ägyptens oder
aus Partys.
Nach wie vor ist Li trinkfest.
Sie gilt als fantastische Gastgeberin, wenn auch ein bisschen launisch, immer zwischen
glücklich und depressiv hin und her schwankend.
Die Fotografien, die sie in der Zeit fertig gehören, mit zu ihren künstlerischsten.
1937 war sie dann endgültig das Leben in Ägypten leid.
Eine Ausstellung brachte sie nach Paris, wo sie den Maler und Kurator Roland Penrose kennenlernte.
Was zunächst eine Kollaboration war, wurde schnell eine Affäre und so zog sie mit Billigung
ihres Ehemanns nach London in ein gemeinsames Apartment.
Und hier ist Li, als die Deutschen damit beginnen, London zu bombardieren.
Roland war einer der Freiwilligen, der während den Bombenangriffen der Deutschen die Stadt
patrouillierte und nach Brandherden Ausschau hielt und Li begleitete ihn.
Und die Lebensgefahr, die andere vielleicht dazu gebracht hätte, sich zu vergriechen,
war für sie wie ein Lebenselixier.
Ihr war sofort klar, sie wollte dahin, wo die Action war.
Die Gefahr nicht meiden, sondern die Gefahr suchen.
Freunde und Familie war entsetzt.
Aber wie schon bei Man Ray, ließ Li sich nicht von einem einmal gefassten Plan und
einer Entscheidung abbringen.
Sie begann damit, praktisch täglich bei Vogue anzufragen, ob die nicht Verwendung für eine
Kriegskorrespondentin hätten.
Und beginnt damit auf eigene Faust die Bombenangriffe während dem sogenannten Blitz zu dokumentieren.
Es sind ihre Fotos und ihre Hartnäckigkeit, die er dann letztlich eine Akkreditierung
als offizielle Kriegsfotografin für die Condé Nast Publishing Group einbringt.
Es gab einige Frauen, die für die US Army fotografierten, aber es waren nicht viele.
Und Action zu sehen war fast ausgeschlossen, denn die US Army hatte ganz grundsätzlich
die Regel, dass Frauen nicht in Kriegshandlungen geschickt wurden.
Und so fotografiert sie zunächst die Soldaten, die im Einsatz am D-Day gewesen waren und
jetzt in einem Übergangslazarett auf ihren Abtransport warteten.
Sie lernt den Time-Live-Fotografen David E.
Sherman kennen, der auch für eine Weile dann ihr Lebensgefährte werden soll, und beschließt,
dass sie dahin will, wo gekämpft wird.
Zur Not wird sie hintrampen.
Und genau diesen Plan setzen die beiden dann auch in die Tat um.
Nicht lange und Lee hat sich einen Ruf bei den Soldaten als mindestens so kampferprobt
und kampffest wie ihre Kameraden eingehandelt.
Und so wird ihr forsches Vorgehen von der Armee geduldet.
Sie und Sherman sind es dann auch, die zum Beispiel den ersten Einsatz von Napaim in
Europa dokumentieren.
Sie dokumentiert die Befreiung von Paris oder die Einnahme von Adolf Hitlers Berghof auf
dem Obersalzberg im Berchtesgaden.
Ihre Fotos entwickelt sie selbst in der Badewanne.
Und besonders die US-Vogue widmet ihr große Artikelstrecken, deren Bilder sie beisteuert
und deren Text sie komplett verfasst.
Und jetzt kommen wir zu dem Foto, das ich in der Einleitung erwähnt habe.
Es ist der 30.
April 1945.
Lee Miller und David Sherman sind in München.
Die Stadt ist praktisch dem Erdbodengeich gemacht.
Aber es gibt ein Haus, in dem noch fließendes, warmes Wasser ist.
Und so beschließen die beiden, dort ein Bad zu nehmen.
Als sie das Haus betreten, finden sie auch heraus, warum es das einzige Haus weit und
breit mit fließendem, warmen Wasser und Strom ist.
Denn es handelt sich um ein Privathaus von Adolf Hitler persönlich.
Und so beschließen die beiden nicht nur ein Bad zu nehmen, sondern dieses Bad auch fotografisch
zu dokumentieren.
Die Aufnahme zeigt Lee Miller in der Badewanne sitzend.
Es gibt ein analoges zweites Bild, in dem David Sherman auch ein Bad nimmt.
Auf den ersten Blick könnte man diese Aufnahme für einen Schnappschuss halten.
Aber auf den zweiten Blick wird klar, dass Lee Miller ihre Fotos als die Künstlerin,
die sie war, gezielt komponiert hat.
Und dieses Bild ist keine Ausnahme.
So steht zum Beispiel ein Foto Adolf Hitlers mit an der Badewanne.
Das bekannteste Bild des Diktators.
Aber noch viel wichtiger, direkt vor der Badewanne hat sie ihre US-Army-Stiefel abgestellt.
Und diese Kombi aus dem per Foto anwesenden Führer und den abgestellten US-Boots machen
aus diesem Foto eben mehr als nur einen Schnappschuss.
Das ist ein Foto, das nur Sieger machen können.
Es dokumentiert eine Machtumkehr.
Die Aufnahme von David Sherman zeigt außerdem noch den Duschkopf über ihm.
Sherman selbst ist Jude und der Duschkopf steht symbolisch für die als Gemeinschaftsduschen
getarnten Gaskammern der Nazis.
Und die hatte Lee Miller inklusive der Gräuel, die in den KZs zu sehen waren, nur zu Genüge
dokumentiert.
Sie ist vor Ort, als die KZs Buchenwald und Dachau befreit werden.
Während diesen Befreiungsaktionen sind ja einige Fotografinnen und Fotografen mit dabei
und dokumentieren.
Aber die meisten versuchen sich vor dem Grauen zu schützen und halten Abstand.
Lee geht mit ihrer Rolleiflex-Kamera ganz nah ran und macht Fotos, die sich ins Gehirn
brennen.
Lee macht diese Fotos, um die Deutschen zum Hinschauen zu zwingen und den Amerikanern
zu zeigen, dass sie das Richtige getan haben, als sie sich in den Krieg eingemischt haben.
Als der Krieg vorbei ist, kehrt Lee nach England zurück.
Ihr Lebensgefährte aus der Anfangszeit des Krieges, Roland Penrose, hatte seinen Wehrdienst
überlebt und die beiden nehmen den Faden da auf, wo er durch die Kriegsgeschehnisse
abgetrennt worden war.
Sie ziehen aufs Land, erst in ein Cottage, dann in eine Farm.
Roland Penrose hatte sich immer vorgestellt, wie es denn sein würde, als Farmer unabhängig
von anderen zu sein.
Hatte allerdings keinerlei Begabung oder Wissen in dem Bereich.
Außerdem ist er ja zunächst mal Galerist, Kunstsammler und Kurator und gibt diesen Beruf
auch nicht auf.
Und so wird aus der Farm weniger ein Agrarbetrieb, als eher eine Art Künstlerkolonie mit Menschen,
die außerdem noch wissen, wie man einen Garten anlegt.
Die beiden heiraten und 1947 wird der Sohn Anthony geboren.
Die zieht sich komplett aus dem Bildjournalismus zurück.
Sie fotografiert zwar hin und wieder, aber nicht mehr in offizieller Funktion.
Überhaupt hatten die Kriegsjahre tiefe Spuren bei ihr hinterlassen.
Sie hatte schon immer eine Tendenz zur Depression und Schwierigkeiten mit Leistungsdruck umzugehen.
Beides bekämpfte sie oft mit Alkohol und Partys und in den ersten Jahren nach dem Krieg
wird es ein Strudel, der sie zu verschlingen droht.
Was hilft, ist ihr Freundeskreis.
Inklusive ihrer ehemaligen Liebhaber.
Man Ray oder Aziz kommen regelmäßig vorbei.
Pablo Picasso geht in dem Haushalt ein und aus.
Und immer wenn Besuch da ist oder wenn Lee eine Party schmeißen kann,
blüht Lee auf und zeigt ihr charmantes Gewinnendes selbst.
Und es ist diese Zeit, in der Lee ein weiteres Mal beschließt, sich neu zu erfinden
und eine neue Leidenschaft entdeckt, nämlich das Kochen.
Ab jetzt dokumentiert sie mit ihren Reisen keine Kriegshandlungen mehr
oder fotografiert mit künstlerischem Anspruch.
Ab jetzt sind ihre Reisen dafür da, neue Rezepte zu lernen, neue Zutaten kennenzulernen,
Kochbücher zu kaufen, Gerichte zu testen.
Sie beschäftigt sich mit ihrem Kräutergarten mit geradezu religiösem Eifer
und die vielen Besucherinnen und Besucher freuen sich über regelmäßige Gelage und originelle Speisepläne.
Als sie mit ihren eigenen Gerichten anfängt, an Wettbewerben teilzunehmen,
ist sie wieder auf Titelseiten zu sehen.
Diesmal als Köchin.
Und sie gewinnt Preise für ihre Gerichte.
Anthony und Lee haben in der Zeit eine komplizierte Beziehung.
Aber später schreibt er in der Biografie über seine berühmte Mutter,
dass es diese Zeit als Köchin war, die sie vor dem endgültigen Absinken in Alkoholismus und Depression bewahrt hat.
Als Erwachsenes selbst heiratet und mit seiner jungen Frau in die Nähe zieht,
normalisiert sich die Beziehung der Mutter und des Sohnes.
Es wird freundlich respektvoll.
Was aber beim Lesen der Biografie wirklich faszinierend ist,
er selbst kannte seine Mutter gar nicht als Fotografin.
Er kannte seine Mutter als seine Mutter und als Köchin.
Und so schreibt er, dass er völlig überrascht davon war, wie viele Leben seine Mutter gelebt hat.
Ein Leben als Supermodel, bekannt über die Grenzen New Yorks hinaus.
Ein Leben als surreale Künstlerin, die mit Man Ray zusammen,
einem der berühmtesten Vertreter des Genres, stilprägend war.
Ein Leben als Unternehmerin und Fotografin in der Werbebranche,
mit mehreren nacheinander gegründeten erfolgreichen Fotostudios.
Ein Leben als Kriegsreporterin und als Journalistin.
Eine Frau, die die ganze Welt ausführlich bereist hat und der ein Leben in Ägypten,
in Saus und Braus nicht genug war, sondern die dann regelrechte Expeditionen in die Wüste organisiert hat.
Eine Frau, die mit Picasso eng befreundet war und sechsmal von ihm gemalt wurde.
Eine Frau, die immer ihrem Herz und ihrer Leidenschaft folgte
und damit für viele andere, die ihr nachfolgten, auch den Weg freigeräumt hat.
Lee stirbt am 21. Juni 1977 an Krebs.
Ihre Asche wird über dem Kräutergarten der Farm ausgestreut.
Und die Farm existiert bis heute.
Ihr Sohn Anthony hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihren Nachlass zu verwalten.
Und die Farm und das Anwesen ist das Kernstück.
Sie ist umgeben von einem Skulpturengarten und enthält einige Räume, die im Originalzustand belassen wurden.
Hier lagert Lee’s komplettes Bildarchiv und die beeindruckende Kunstsammlung des Ehepaars.
Da gehören natürlich Werke von Picasso dazu, aber auch Bilder von Miró, Man Ray natürlich, Max Ernst und andere.
Was bleibt, ist die Geschichte einer faszinierenden Frau.
Einer Frau, der es offensichtlich nicht gereicht hat, sich mit nur einem Lebensweg zu begnügen.
[Musik]
FotoMenschen
[Musik]
Leute, was für ein Ritt.
Ich habe jetzt 17 Minuten lang versucht, den Überblick über Lee Millers Leben zu geben
und dabei viele, viele Anekdoten ausgelassen.
Ihr Sohn Anthony hat eine ganz großartige Biografie mit vielen Originalzitaten aus Briefen
und anderen Dokumenten zusammengestellt.
Und ich habe auf YouTube einen einstündigen Vortrag von ihm gefunden, der das zusammenfasst,
den ich euch natürlich wie immer verlinken werde.
Ihre Fotografie und ihre Texte sind faszinierend.
Die Geschichte ihrer Beziehungen, besonders die spektakuläre Beziehung, die sie mit Man Ray zusammen hatte
und deren gemeinsames Werk.
Jedes einzelne Kapitel dieses Lebens könnte Bücherregale füllen.
Und deswegen hier nochmal der Aufruf, surft doch bei FotoMenschen.net vorbei.
Ich packe in die Notizen zur Sendung, wie immer, Hinweise auf Startpunkte, also Artikel, Videos, Bücher etc.
Wer schon mal da ist, kann ja gerne einen Kommentar hinterlassen.
Ich freue mich immer über Rückmeldung.
Und wer mir auf Social Media folgen will, wird auf FotoMenschen.net auch da fündig.
Da sind die Links zum Twitter-Kanal, zum Mastodon-Kanal, zu meiner Pixel-Fat-Fotosammlung etc. etc.
Ich finde übrigens, von all diesen Kanälen ist vermutlich der Mastodon-Kanal der reichhaltigste,
aber wählt einfach selbst.
Ansonsten, wer jetzt mehr Lust auf Geschichts-Inhalte oder auf Wissenschaftsinhalte hat,
da noch in eigener Sache Hinweis auf die zwei Netzwerke, in denen der Foto-Menschen-Podcast auch mitgeht ist,
nämlich einmal geschichtspodcast.de und wissenschaftspodcast.de.
Da gibt es mehr großartigen Podcast-Content, als ihr hören könnt.
Auch diese Links natürlich in der Webseite.
Und jetzt bleibt gesund, passt auf euch auf, danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.

7 Responses

  1. minilancelot sagt:

    Hallo Dirk,

    dankeschön für diesen wunderbaren Beitrag… als ich das Foto entdeckte fing ich auch immer mehr zum recherchieren an und fand immer mehr und mehr und zog mich in den Bann dieser Frau. Wunderbar aufbereitete Folge. Ganz lieben Dank…

    Viele Grüße
    minilancelot aka Silke

  2. Mirko sagt:

    Sehr schöne Folge.
    Ab 2. Juli auf ARTE https://www.arte.tv/de/videos/092125-000-A/lee-miller/
    Gruß Mirko

  3. Jünger Jürgen sagt:

    Eine wunderbare Folge! Danke für Deine Recherche und für den Podcast. Gefühlt hatte diese beeindruckende Frau 7 Leben!

    • Dirk sagt:

      Sehr gerne! Ja, Lee Miller ist einfach nur beeindruckend. Allerdings war sie anscheinend auch meist kreuzunglücklich und auf der Suche. Ich bin mir nicht sicher ob ich mein vergleichsweise gleichförmigen Alltag mit ihr tauschen würde…

  4. Kaya sagt:

    Danke, das war wirklich hochinteressant.
    Welche Mächte sie wohl getrieben haben, mag ich mir nicht ausmalen und hoffe für sie, dass sie irgendwann auch mal wirklich glücklich war.

  5. Frauke sagt:

    In einem Geschichtspodcast (in dem auch Lee Miller vorkam) habe ich neulich gehört, dass es schon im ersten Weltkrieg Fotografinnen gab: https://www.br.de/mediathek/podcast/alles-geschichte-history-von-radiowissen/krieg-und-des-information-kriegsberichterstatterinnen/1850507
    Ich hatte noch nie von ihnen gehört und denke, es gibt noch einiges zu entdecken (falls es die Quellenlage hergibt…).

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