====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <====
Es gibt Menschen, die glauben Feen und andere Naturgeister existieren wirklich und so wundert man sich nicht, dass irgendwann auch Beweisfotos auftauchten, die ihre Existenz belegten… Aber was hat das mit Sherlock Holmes zu tun?
- Die Feen von Cottingley (Wikipedia)
- Theosophie (Wikipedia)
- Fee (Wikipedia)
- Naturgeister: Unterschied Elfen und Feen erklärt (Focus)
- Elfen, Feen, Zwerge gibt es die in unserer Welt? (psygrenz.de)
- The Cottingley Fairies (Wikipedia, englisch)
- The full story of the Cottingley fairy hoax
- The Cottingley fairy hoax of 1917 is a case study in how smart people lose control of the truth
- Short biography of Frances Griffiths
- Sir Arthur and the Fairies (Public Domain Review)
- Sir Arthur Conan Doyle „The Coming of the Fairies“ (archive.org, enthält alle Bilder)
(Unter dieser Notiz sind keine Videos? Auf nach https://fotomenschen.net)
Bildquelle: archive.org
Sound: „Eh surprised“ by owly-bee
Transkript
Es gab mal eine Zeit vor Photoshop da war es ganz klar, dass alles, was ich fotografieren lässt auch wirklich existiert. Das fängt bei Urlaubsfotos an und hört bei kriminalistischen Beweisbildern auf. Und manchmal zeigen Fotografien neben schier unglaubliches. Zum Beispiel Feen.
Feen sind Naturgeister. Kleine, meistens weibliche Figuren, die oft als wunderschön beschrieben werden, magische Kräfte haben, sich sichtbar und unsichtbar machen können und in der einen oder anderen Form fast überall auf der Welt in Sagen vorkommen.
Name und Grundidee leitet sich wohl schon von den römischen Schicksalsgöttinnen ab aber das, was wir heute unter Feen verstehen ist wahrscheinlich im Wesentlichen aus keltischen Volkssagen entstanden. Und wie das oft so ist, der Übergang zwischen Sage und Literatur und angenommener Wirklichkeit ist manchmal fließend.
So gibt es auf Island ein staatlich anerkanntes Feenmedium, eine Frau, die sich damit beschäftigt z. B. bei Straßen sicherzustellen, dass man nicht aus Versehen die neue Autobahntrasse quer durch ein Feenwohngebiet zieht. Und natürlich sind auch die einschlägigen spirituellen Regalmeter in der Buchhandlung unseres Vertrauens, gefüllt mit Literaturen nicht nur zu Feen, sondern auch Einhörnern, Engeln und was sonst noch alles gibt. Und da sind natürlich auch oft mal Bilder darin zu sehen, die angebliches oder tatsächliches zeigen.
Freilich sind wir uns heute alle bewusst, dass mit Photoshop jeder noch so absurde Bildeindruck erzeugt werden kann. Wir glauben solchen Fotos also nur begrenzt.
Anders war das im Jahr 1917. Zu der Zeit war Deutschland noch ein Kaiserreich und in Großbritannien herrschte King Edward the seventh über ein Viertel der Welt. Die Fotografie war zu der Zeit schon 100 Jahre alt und jeder Haushalt, der so ein bisschen was auf sich hielt, hatte sehr wahrscheinlich eine Kamera im Haus. Ja und was immer diese Kamera festhielt, war natürlich die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.
[Einspieler]
“Das Jahr 1917. Zwei Mädchen in England fotografieren sich gegenseitig. Das Ergebnis: eine Sensation. Die Bilder gehen um die Welt, denn sie zeigen fabelhafte Wesen.”
Die beiden Mädchen sind die 16-jährige Elsie Wright und die damals gerade mal 9-jährige Frances Griffiths, die bei Elsie zu Besuch war. Die beiden Mädchen spielen viel gemeinsam und meistens halten sich bei einem nahegelegenen, kleinen Bach auf. Als die Eltern fragen, was denn an dem Bach so faszinierend wäre, geben die Mädchen zur Antwort, dass da Feen wohnen. Der Vater glaubt das jetzt nicht so ganz aber er willigt ein, ihnen seine Kamera zu leihen, damit sie Fotos machen können.
Ja und die beiden kommen tatsächlich mit Aufnahmen von Feen wieder also Bilder, auf denen sie zu sehen sind und kleine Wesen mit Flügelchen. Der Vater denkt sich nicht viel dabei, hält das ganze für einen geschickten Trick und damit ist das Thema auch erstmal durch.
Zwei Jahre lang ist das Thema dann erst mal durch. Solange nämlich bis Elsies Mutter anfängt, zu regelmäßigen Treffen der lokalen theosophischen Gesellschaft zu gehen.
Solche Gruppen waren damals relativ weit verbreitet. Die Menschen waren damals auf der Suche nach allerlei spirituellen Wahrheiten. Indische Spiritualität mischte sich mit was man aus heutiger Sicht einfach nur Okkultismus nennen kann und nicht alles, was damals als Lehrmeinung vertreten wurde, war notwendigerweise wissenschaftlich begründet.
Das war ja auch eine Zeit, in der ständig Wunder wahr zu werden schienen. Man konnte mit Menschen reden, die nicht da waren, riesige Maschinen wurden konstruiert, Naturgewalten, die als unbeherrschbar galten, wurden nach und nach eingehegt und man hat nicht mal eine Augenbraue hochgezogen, wenn anerkannte Denker wie z. B. CG Jung sich offen mit Tarot und anderen okkultistischen Praktiken auseinandersetzen.Einfach unter der Annahme, es könnt ja was dran sein.
Philosophen jedenfalls sahen die Welt als eine Vielgötter- und Vielgeisterwelt an und da fiel natürlich Elsies Mutter dieser Fotoscherz wieder ein, den sie immer irgendwie auch für möglicherweise echt gehalten hatte. Sie geht also heim, sucht die Fotos raus, geht zum nächsten Treffen und legt dem Gruppenleiter die Bilder vor. Und fragt, ob das vielleicht ein Beweis für die Existenz von Naturgeistern sein könnte.
Der ist sich nicht sicher und holt sich deswegen Rat bei einem Fotografen. Ja, und der schaut doch darauf und sagt: „Ich wüsste beim besten Willen nicht, wie ich so ein Foto künstlich herstellen sollte. Das müssen echte kleine Wesen mit Flügelchen sein.“ Wer sich die Fotos anschaut, wird mir wahrscheinlich zustimmen, dass das kein besonders kompetenter Fotograf gewesen sein kann.
Aber für die Mitglieder dieses Schwurbelzirkels war das natürlich eine absolute Sensation. Ab jetzt wurden Vorträge gehalten, in denen diese Bilder als Beweise gezeigt wurden.
Ein solcher Vortrag wird es wohl auch gewesen sein, den damals Sir Arthur Conan Doyle, der Mann, der Sherlock Holmes erfunden hat, auf dieses Feenphänomen aufmerksam machte. Freilich könnte man sagen, Sir Arthur Conan Doyle wollte eigentlich, dass das Ganze die Wahrheit zeigt. Aber er wollte natürlich auch den Anschein vermeiden, dass er sich sehr, sehr leicht überzeugen lässt. Deswegen gab er die Bilder einen Gutachter der Firma Kodak.
Kodak war damals schon einen riesen Name. Die hatten die Kodak Brownie erfunden, die erste Schnappschusskamera, die praktisch in jedem Haushalt zu finden war, kann man mal so sagen, mit Rollfilm und Knipsmechanismus, mit dem wirklich auch jedes Kind umzugehen wusste, das heißt, wenn die es nicht wussten, wer dann.
Und das Gutachten fiel durchwachsen aus. Also im Endeffekt wussten die jetzt spontan auch nicht, wie diese Aufnahmen entstanden sein könnten, aber schlossen aus, dass es echt ist, mit der Begründung; wenn es keine Feen gibt dann müssen diese Aufnahmen ja wohl auch fake sein. Ja, und Sir Arthur Conan Doyle dachte sich dann:
[Einspieler]
“Once you’ve eliminated the impossible, whatever remains, however improbable, must be the truth.”
Und er wollte mehr Fotos von Feen. Er stattete die Kinder mit Kameraequipment aus und besuchte sie regelmäßig, bis die dann endlich noch ein Bild produzierten.
Übrigens war die Fotografie von Feen nicht das einzige Fotoprojekt, mit dem sich Sir Arthur Conan Doyle beschäftigte. Es sind z. B. auch Spiritfotografien, also Geistfotografien von ihm erhalten, die er von einem damals anerkannten Medium machen ließ.
Es war also durchaus so einiges an Fotogeschwurbel unterwegs, das einfach dadurch auch in der Welt blieb, weil die Menschen zu der Zeit kein Verständnis dafür hatten, wie Fotografien tatsächlich entstanden und welche Möglichkeiten der Manipulation es auch gab.
Schließlich veröffentlicht Conan Doyle einen Artikel in seinem Hausmagazin, dem Magazin, das auch Sherlock Holmes seinerzeit begründete, The Strand Magazine. “Epochales Ereignis! Feen fotografiert!”, stand da zu lesen.
Und das war der Startpunkt einer Kontroverse. Die Welt teilt sich auf in Leute, die das für eine Sensation und Leute, die das für absoluten Humbug hielten.
Conan Doyle ließ sich jedenfalls nicht beirren und irgendwann, nach mehreren Artikeln, schrieb er sogar ein Buch über den Fall. 1922 erschienen es in den Läden. “the coming of the fairies”. Sir Arthur Conan Doyle blieb bis zu seinem Tod von dieser Geschichte überzeugt. Er starb in dem sicheren Wissen, es gab Feen und die waren damals fotografiert worden.
Es gab auch immer wieder mal Wellen, in denen diese Bilder als Beweis und Diskussionsmaterial herhielten. 1940, in den Fünfzigern, in den Sechzigern, immer wieder gingen diese Bilder durch die Medien. Es wurden mehrere Bücher veröffentlicht und die beiden Mädels bestanden auch lange Zeit darauf, dass diese Fotografien authentisch und echt seien.
Heute wissen wir das besser. Und zwar aus ganz vielen Gründen. Aber wirklich überraschend ist, dass es bis 1978 gedauert hat, bis jemand sich ernsthaft damit beschäftigt hat, den Beweis zu führen, dass diese Bilder nicht echt sein können.
Und dieser Beweis hatte mehrere Bausteine. Einmal hat sich z. B. der Bühnenmagier und Skeptiker James Randi damit beschäftigt und gezeigt, woran man sehen kann, dass diese Bilder nicht echt sein können. Beispielsweise sieht man auf den Fotos den Bach, an dem die Mädchen gespielt haben. Und dieser Bach ist, weil das ganze ja eine Langzeitbelichtung war, verwischt. Gleichzeitig sind aber die Feen erstaunlich scharf zu sehen. Für kleine Wesen, die die ganze Zeit rumflattern und nicht auf der Stelle bleiben ist es schon erstaunlich.
Der finale Nagel in den Sarg der Geschichte war aber, als man 1978 die Vorlagen für die Feen fand, in einem Kinderbuch namens “princess Mary’s Gift Book”. Da waren sie abgedruckt und von dort hatten die Mädchen die Feen auch ausgeschnitten, um kleine Feenfigürchen vor der Kamera rumwedeln zu lassen. Über all die Jahre jedenfalls kochte die Diskussion immer wieder hoch und über all die Jahre wurden immer wieder auch die zwei Cousinen dazu befragt, ob das nun Fake sei, wie sie es denn gemacht hätten und als dann irgendwann mal auch feststand, dass es tatsächlich keine echten Aufnahmen sein können, mussten sich die beiden natürlich beschimpfen lassen, dass das ganze ja Betrug gewesen sei und ob sich nicht schämen würden.
Hier zum Beispiel ein Originalton von Elsie, ausgestrahlt in der BBC:
[Einspieler]
“It was very embarrassing, because, I mean, two village kids and a brilliant man like Conan Doyle, we could only just keep quiet.”
Was sie da sagt, kann ich mir gut vorstellen. Wenn jemand wie Conan Doyle so massiv Wirbel macht, ja, dann gehst du als so ein Mädel vielleicht eher vorsichtig ran und widersprichst ihm auch nicht so richtig frontal. Die beiden sind ja nicht herumgelaufen und haben das Ganze beworben, sie haben es nur nie abgestritten.
Wobei, das stimmt auch nur zum Teil. Elsie hat irgendwann offen zugegeben, dass das Ganze eigentlich gestellt war. Francis hingegen, die jüngere der Beiden, damals 9 Jahre alt, war absolut überzeugt davon, dass sie mindestens mal einen Gnom, vielleicht aber auch die Feen gesehen hat. Sie gab zu, dass die Bilder der Feen zum Teil, also, getürkt waren, aber das hieß ja jetzt nicht, dass alle Bilder gefaket waren und das hieß auch nicht, dass es gar keine Feen gäbe, sondern nur, dass es eben diese Bilder waren.
Hinzu kommt, dass die Leute eigentlich an diese Feen glauben wollten. Hier nochmal Elsie:
[Einspieler]
“The people keep insulting me, don’t you feel ashamed that you’ve made all these poor people look fooled, they believed in you. But I don’t because I wanted to believe.”
Ja. Sie sagt, sie schämt sich nicht dafür, dass die Leute ihr geglaubt haben, denn die Leute ließen ihr gar keine andere Chance, sie wollten es ja glauben. Und sie belegt das ganz anschaulich mit einem der fünf berühmten Bilder.
[Einspieler]
“Look at this photograph. … .That leg doesn’t belong to that fairy. And somebody pointed it out in the newspaper.”
Ja, man sieht eigentlich sofort, dass mit dieser speziellen Fee irgendwas nicht stimmt. Der Fuß ist falsch. Und damals hat das jemand auch dann angemerkt. In einem Artikel zu den Feen.
[Einspieler]
“And one of the dear believers said: “Well fairies aren’t like humans, they haven’t got bodies like we have, like, the skeleton, the arms and legs, they sort of put it together with swords and sometimes it doesn’t come out right.”
Ja, und dann ist dann sofort jemand herbeigesprungen und hat erklärt, ja, Feen sind nunmal nicht so wie Menschen, die haben keine Knochen und so, die Gestalt ist sozusagen aus Gedanken materialisiert und manchmal stimmt das dann halt einfach nicht. Eine sehr bequeme Erklärung für so einen anatomischen Fehler.
[Einspieler]
“We didn’t have to tell a lie about it at all because always someone came out and justified.”
Ja, da hat sie sicherlich recht. Die Menschen wollen so etwas glauben und das ist auch heute noch so. Immer wieder tauchen Fotos auf, die als Beweis für Bigfoot, Nessie oder auch ganz banale Dinge wie welche Menschen zu welcher Zeit an welchem Ort angeblich gewesen sein sollten herhalten müssen. Es gibt Fotos von Außerirdischen und es gibt Fotos von Geistern. Und für jedes Bild gibt es auch eine Gruppe an Menschen, die das unbedingt glauben wollen. Aber über Feen. Über Feen sind wir doch jetzt drüber, oder?
[Einspieler]
“The Fairymania they inspired seems like another age. However, a hundred years on, belief has not disappeared. A professor of arts, John Hyatt, took these pictures of, what he thought, were insects. When he displayed them people from around the world were convinced; he’d photographed fairies.”
Richtig gehört. Es gibt einen Kunstprofessor da draußen, der hat Fotos von Feen gemacht. Und der stellt die nicht nur aus, sondern von überall in der Welt schicken Menschen ihre eigenen Feenfotos ein. Die sehen jetzt freilich irgendwie anders aus als die Cottingley fairies damals: Ein bisschen kunstvoller, verwischt, Bewegungsunschärfe, sie sind kleiner aber irgendwie, irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass das zwar moderner, aber eigentlich immer noch genau das Gleiche ist.
Und wie damals, wie in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, finden sich auch heute Menschen, die da unbedingt dran glauben wollen.
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